Sweeney Todd ist ein Paradestück des schwarzen Humors, eine Schauerballade aus dem 19. Jahrhundert, angesiedelt in London. In diesem Musical steckt das leise Lachen der Verzweiflung und die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Ein Musical-Thriller der feinen britischen Art – von einem weltberühmten amerikanischen Komponisten.

15 Jahre nach seiner unrechtmäßigen Verbannung kehrt der Barbier Benjamin Barker unter dem Decknamen Sweeney Todd nach London zurück, um sich an dem damals verantwortlichen Richter Turpin zu rächen. Von Mrs. Lovett, die eine Pastetenbäckerei unter Todds ehemaligem Salon führt, erfährt er, dass seine Frau Lucy von Turpin vergewaltigt worden ist und so in den Selbstmord getrieben wurde, woraufhin der Richter Todds Tochter Johanna als Mündel zu sich genommen hat. Sweeney Todd eröffnet nun wieder seinen Salon, in der Hoffnung, Turpin als Kunden anzulocken, um sich dann bei ihm zu rächen. Doch die langsam anschwellenden Rachegelüste ufern in eine unkontrollierbare Gier aus. Leichen pflastern seinen Salon, aber die eifrige Mrs. Lovett weiß Rat bei der Entsorgung – ihre neuen Fleischpasteten werden zum Verkaufsschlager. Um der steigenden Nachfrage in der Bäckerei hinterher zu kommen, werden fortan Kunden von Todd zum „Verschwinden“ gebracht. Bis die Rache an Richter Turpin endlich vollzogen ist, werden viele unschuldige Kehlen dem Rasiermesser von Sweeney Todd zum Opfer fallen.

Stephen Sondheim, 1930 in New York geboren, ist einer der erfolgreichsten Musical-Komponisten und Texter. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören die 1957 geschrie-benen Liedtexte zu Leonard Bernsteins West Side Story. Sweeney Todd, von den Kritikern als sein kraftvollstes Musical bezeichnet, wurde mit drei Tonys, zwei Drama Desk Awards und dem Drama Critic’s Circle Award ausgezeichnet. Die Uraufführung fand am 1. März 1979 im Uris Theatre in New York statt. Im Frühjahr 2008 kam Tim Burtons Verfilmung des Musicals, mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter in den Hauptrollen, in die Kinos.

Lesen Sie bitte auch die Kritik der Ober-österreichischen Nachrichten über die Premiere vom 27. September 2008:

Meister fielen vom Himmel

Alles riskiert, alles gewonnen! Die ebenso mutige wie geniale Umsetzung von Stephen Sondheims Musicalthriller „Sweeney Todd“ wurde am Premierensamstag im Linzer Landes-theater zum Triumph für Regisseur Karl M. Sibelius und seine mit Talenten gesegnete Schauspielriege.

Welches Vertrauen muss dieser Sibelius genießen, dass sich die Beteiligten einer gewagten Idee unterwerfen, die alles von ihnen fordert? Sie müssen mimisch glänzen, ihre Gesangsstimmen durch eine für das Genre höchst anspruchsvolle Komposition leiten, selbst auf Instrumenten für den guten Ton sorgen und ununterbrochen präsent sein. Sie heben diese Last mit so überzeugender Leichtigkeit, dass man sagen könnte, hier sind doch Meister vom Himmel gefallen.
Die Moritat vom gurgelschneidenden Barbier wird in einem abgeschlossenen Raum erzählt, den elf Figuren besetzen, die sich wie die Anstaltsinsassen in „Einer flog über das Kuckucksnest“ gebär-den. Der Riesen-Quader (Bühne: Jan Hax Halama), der mit seiner wandlosen vorderen Ecke in den Zuschauerraum ragt, strahlt mit metallenen Beschlägen klinisch-bedrohliche Kälte aus. Flutendes Licht und vor allem die Phantasie verwandeln ihn in den passenden Ort: Londoner Marktplatz, Pastetenbäckerei, Richterresidenz, bluttriefender Salon, Irrenhaus.

Sibelius dirigiert die Randgestalten mit perfekter Hand durch den mit Instrumenten gesäumten Raum mit einem zentralen positionierten Klavier, dessen Deckel auch bespielt wird.
Die Akteure leisten Großartiges: Vasilij Sotke hält Leere und Rachsucht umklammert, die dem Barbier Sweeney Todd geblieben sind, nachdem ihm Liebe und Leben geraubt wurden. Verena Koch (Tuba, Percussion) schmeißt sich als berechnende Mrs. Lovett an den Unnahbaren, auf dessen Toten ihr wirtschaftlicher Pastetenaufschwung basiert. Alexander Bernard (Cembalo etc.) legt nicht nur den monströsen Leib des Lusttäters Richter Turpin bloß, an den sich Manuel Klein (Cello, Klavier) als sadistischer Büttel Bamford schleimt.

Es schnürt den Hals zu, wie fahrig und gehetzt Barbara Novotny (Harfe) Johanna spielt, die miss-brauchte, seelisch und körperlich gebrochene Tochter Todds. Naive Zuneigung durchströmt Markus Miesenbergers (Violine) jungen Seemann Anthony Hope. Katharina Solzbacher (Trompete, Klavier) lotet das Drama der in Erniedrigung getriebenen Hure und Bettlerin aus, die einst des Barbiers Frau war. Fabian Rucker (Klarinette, Saxophon), Gehilfe des verschlagenen Quacksalbers Pirelli (Martin Kiener, Akkordeon), sehnt sich nach Halt, Tanja Peer setzt sich mit Querflöte und Kontra-bass in Szene, Nebojsa Krulanovic leitet die Irrenanstalt und das grandios-virtuose Zusammenspiel.
Schräg und faszinierend Silke Fischers Kostüme und Frisuren, eine inspirierte Mischung aus Tim Burton und Glamrock.