Zeit der Handlung: Frankreich zur Zeit des Hundertjährigen Krieges

Prolog

1. Szene
Domrémy, 1429 (Hundertjähriger Krieg): Die Situation der Armagnacs – hier mit Frankreich gleichgesetzt – scheint aussichtslos: Orléans, der Stammsitz der Dynastie, wird von den Engländern belagert und steht kurz vor dem Fall. Das versammelte Volk von Domrémy und königliche Beamte verfluchen die Engländer (Qual v’ha speme – Maledetti cui spinge rea voglia). Der König tritt auf und verkündet dem Volk seinen Rücktritt. Er begründet dies mit einem Traum, in dem er aufgefordert wird, Helm und Schwert an einer genau beschriebenen Stelle – mitten im Wald bei einer Eiche, nahe einem Marienbildnis – niederzulegen, damit Frankreich gerettet werde. Nachdem er erfahren hat, dass es in der unmittelbaren Nähe des Dorfes einen solchen Ort gibt (Dipinta imago e simile loco fra noi qui v’è), will er sofort aufbrechen, wird aber vom Volk aufgehalten, da an jenem Ort das Böse herrsche (Allor che i flebili – nell’orribile foresta). Carlo lässt sich aber dadurch nicht zurückhalten und geht in den Wald.

2. Szene
Im Wald bei Domrémy; eine Kapelle neben einer Eiche.
Giacomo allein: er befürchtet, dass Giovanna in Sturmnächten oft unter dieser Eiche schläft und daher mit dem Bösen im Bunde ist. Nun will er die Wahrheit herausfinden und versteckt sich.
Giovanna tritt auf und kniet vor der Kapelle nieder. Sie glaubt fest daran, dass sie auserwählt ist, Frankreich zu retten, zweifelt aber, ob ihr die Last dieser göttlichen Mission nicht zu schwer sei. Dann übermannt sie die Müdigkeit, und sie schläft ein.
Carlo betritt die Szene; er erkennt, dass er am rechten Ort ist, legt Helm und Schwert nieder und beginnt zu beten. Dann erklingt ein Chor von bösen und guten Geistern, der nur für Giovanna hörbar ist. Die Dämonen verspotten Giovanna mit einer Art Walzer (Tu sei bella, Tu sei bella! Pazzerella, Che fai tu?), während die Engel sie an ihren göttlichen Auftrag erinnern. Giovanna ist offenbar durch die Chöre erwacht; Carlo und Giovanna sehen einander. Sie erkennt sofort den König und stellt sich als künftige Kämpferin für Orléans vor. Carlo sieht in ihrem Blick die Flamme Gottes.
Die beiden gehen – nunmehr zuversichtlich – ab; Giacomo aber, der dies mitangesehen hat, glaubt, die Wahrheit erkannt zu haben: Giovanna hat sich „aus verrückter Liebe zum König“ (per folle amor del re) den Dämonen hingegeben!

Erster Akt

1. Szene
Abgelegener Ort; in der Entfernung sieht man die Stadt Reims. Englische Soldaten in verschiedenen Gruppen
Die englischen Soldaten fordern von ihrem Anführer Talbot den Rückzug nach England, da Orléans verloren ist und viele tapfere Soldaten umgekommen sind. Gegen einen „normalen“ Gegner hätten sie immer tapfer gekämpft, aber gegen „Legionen von Dämonen“ seien sie machtlos.
Giacomo tritt in geistig verwirrtem Zustand (i suoi atti dimostrano il disordino della mente) auf und erklärt, er könne ihnen die an ihrem Debakel Schuldige als Gefangene verschaffen. Auf die Frage, wer er sei, erklärt Giacomo, er sei zwar „Franke“ (franco) – also Franzose –, aber erste Heimat im Herzen sei ihm die Ehre; und da nun Carlo Schande über ihn gebracht habe, wolle er mit den Engländern gegen den Unwürdigen kämpfen. Die Engländer werden dadurch neu beflügelt und erklären, ein lodernder Scheiterhaufen werde die Schändliche verbrennen. Da kommen in Giacomo noch einmal Vatergefühle auf, er weint in „Erinnerung an eine Tochter, die den Vater verriet“ (È memoria d’una figlia che tradiva il genitor). Schließlich aber ziehen die englischen Soldaten mit Talbot und Giacomo ab, um sich an dem „feigen Verführer“ (Carlo) zu rächen.

2. Szene
Garten im Hof von Reims
Giovanna allein: Sie weiß, dass ihre Aufgabe erfüllt ist; dennoch hat sie Empfindungen, die sie lieber nicht hinterfragen will (Le mie fibre scuote un senso, un turbamento, che interrogar pavento). Im Widerstreit ihrer Gefühle beschließt sie letztendlich, nach Hause zurückzugehen; da tritt Carlo auf. Er versteht nicht, warum sie ihn jetzt verlassen will – zumal er sie liebt. Zunächst bleibt Giovanna bei ihrem Entschluss, in die Heimat zurückzukehren, doch schließlich gesteht sie sich ihre Liebe zu Carlo ein und offenbart sie ihm. Genau in diesem Moment hört sie wieder Engelsstimmen, die sie warnen, „irdische“ Gefühle zuzulassen (Guai se terreno affetto accoglerai nel cor!). Auch hat sie eine Erscheinung und hört die Stimme ihres Vaters „Stirb, Frevlerin!“ (Muori, o sacrilega!). Da erscheint Delil mit Gefolge, um den König zur Krönung zu führen. Giovanna soll mitkommen und dem König vorangehen. Giovanna geht mit Carlo, der ihre Zukunft in rosigen Farben malt, aber sie wünscht sich nun, sie wäre rein und unschuldig auf dem Schlachtfeld gestorben; für ihr weiteres Leben sieht sie nur noch Tage des Schmerzes (Ogni giorno di mia vita sia pur giorno di dolor). Im Hintergrund – wieder nur für Giovanna hörbar – triumphieren die bösen Geister (Vittoria, vittoria! Plaudiamo a Satàna).

Zweiter Akt
Reims, Platz vor der Kathedrale
Das Volk feiert die bevorstehende Krönung und insbesondere die als „unsere Erlöserin“ (nostra redentrice) bezeichnete Giovanna. („Gleich dem allerhöchsten Ereignis, da der Mensch erlöst ward, sei heilig der Tag, an dem ein Volk sich aus dem Schlamm erhob.“)
Giacomo betritt die Szene. (Ecco il luogo e il momento!) Er streift die Vaterrolle ab und wird zum „Blitz des gekreuzigten Herrn“ (Io qui di padre tutte le fibre detergo, e del Signor crucciato or fulmine divento).
Nach dem Ende der Krönungszeremonie will Giovanna anscheinend dem Trubel entfliehen, wird aber von Carlo vor dem Volk groß herausgestellt, indem er vor ihr niederkniet und sie als zweite Herrin Frankreichs neben ihm bezeichnet. In diesem Moment schreitet Giacomo ein (La bestemmia o sperda Iddio! Di chi mai tu cadi al piè!) und beschuldigt Giovanna des Paktes mit den Dämonen. Alle sind tief betroffen (Un gel trascorrere sento per l’ossa). Auf die dreimalige Frage ihres Vaters (im Namen Gottes, der Eltern sowie ihrer Mutter) schweigt Giovanna. Bei der dritten Frage donnert und blitzt es, so dass ihre Schuld erwiesen scheint (Si, la colpa è manifesta). Das Volk verflucht Giovanna und jagt die „Hexe“ aus der Stadt (Via la strega! – Fuggi, o donna maledetta!).[2]

Dritter Akt
In einem englischen Lager
Giovanna wartet in Ketten auf die Hinrichtung – im Hintergrund ist schon der Scheiterhaufen errichtet. Man hört Kampfeslärm und Rufe: „Die Franzosen!“ Giovanna betet: Sie habe geliebt, aber nur einen einzigen Augenblick, und sie sei immer noch rein. Ihre einzigen Gedanken und Gefühlsregungen gingen zu Gott. Giacomo – für Giovanna verborgen – hört dies und erkennt, welches Unrecht er seiner Tochter getan hat. Er befreit sie; sie zieht in den Kampf. Die Engländer werden besiegt, doch Giovanna wird tödlich verletzt.
Man bringt Giovanna auf einer Trage und beklagt ihren Tod. Da richtet sie sich noch einmal auf. Nach einem Moment der Verwirrung fragt sie nach ihrer Fahne, die ihr Carlo gibt. Als sie stirbt, breitet sich am Himmel plötzlich ein Sternenlicht (una siderea luce) aus.

Abweichungen von der historischen Realität
Charles VII. hat Jeanne d’Arc nie in Domrémy getroffen. Vielmehr war er von seinem Stammsitz Orléans wegen der englischen Bedrohung nach Chinon geflohen, wohin Jeanne d’Arc gebracht wurde.
Die Rolle von Jeannes Vater ist in dieser Form eine komplette Erfindung der Autoren. Über Jacques Darc ist überdies nur wenig bekannt.
Jeanne d’Arc wurde von den Burgundern gefangengenommen und den Engländern ausgeliefert. Nach einer ersten Verurteilung wegen Ketzerei wurde sie zunächst begnadigt, da sie ihre Aussagen zurücknahm, um sechs Tage später (vor allem wegen des Anlegens von Männerkleidung, zu dem man sie offenbar nötigte, indem man ihr die Frauenkleider wegnahm) dann doch verbrannt zu werden.