Erster Akt
Der Kaiser eines fernöstlichen Inselreiches ist mit der Tochter des Geisterkönigs Keikobad vermählt, die er sich auf der Jagd gewann: Eine weiße Gazelle, von ihm verfolgt, hatte sich plötzlich in eine schöne junge Frau verwandelt. Nun, als Frau des Kaisers, hat sie die Gabe, sich wieder in ein Tier zurückzuverwandeln, verloren. Doch auch zu den Menschen gehört sie noch nicht; sie wirft keinen Schatten, das bedeutet sie ist noch nicht Mutter. Wenn sich dies nicht binnen eines Jahres ändert, muß sie nach den Gesetzen des Geisterreiches zu ihrem Vater zurückkehren, der Kaiser aber muß zu Stein werden.
Ein Bote Keikobads verkündet der dem Geisterreich dienenden Amme, die der Kaiserin gefolgt ist, daß die Frist, die für die Erlangung des Schattens gesetzt war, in drei Tagen abläuft. Auch der rote Falke des Kaisers, der einst die weiße Gazelle erjagen half, kennt den Gesetzesspruch und warnt vor der Versteinerung des Kaisers. Die Kaiserin fleht die Amme an, ihr den Schatten zu verschaffen. Diese sieht den einzigen Ausweg darin, ihn einer anderen Frau abzuhandeln. So nutzen die beiden Frauen den Umstand, daß der Kaiser für drei Tage auf die Jagd gezogen ist, und steigen zu den Menschen hinab.
In einer armseligen Hütte lebt und arbeitet der Färber Barak mit seiner jungen Frau und drei schmarotzenden Brüdern. Als der Färber die Wohnung verlassen hat, dringen die Amme und die Kaiserin verkleidet dort ein. Mit zauberischen Vorspiegelungen von Reichtum und Glück sucht die Amme die junge, mit ihrem Leben unzufriedene Frau des Färbers für ihren Plan zu gewinnen, nämlich ihren Schatten zu verkaufen. Zunächst mißtrauisch willigt die Färberin jedoch ein, die beiden Frauen als Dienerinnen bei sich aufzunehmen. Der heimkehrende Barak versteht das befremdende Wesen seiner Frau nicht, fügt sich jedoch, voll Zuversicht auf eine glückliche Zukunft, in die veränderte Situation.
Zweiter Akt
Um den Abstand der Färberin zu ihrem Mann immer mehr zu vertiefen, läßt die Amme in dessen Abwesenheit die Zaubergestalt eines schönen Jünglings erscheinen. Doch die Frau widersteht der Verführung. Der Färber kehrt vom Markt zurück und verteilt großzügig Essen unter seine Brüder und die hereindringenden Bettelkinder. Die Färberin wendet sich angeekelt ab und verhöhnt ihren Mann.
Der rote Falke hat den Kaiser zum Falknerhaus geführt, wo die Kaiserin sich drei Tage aufhalten will, wie sie ihrem Mann geschrieben hat. Der Kaiser sieht seine Gemahlin mit der Amme heimlich ins Haus schleichen. In wilder Eifersucht will er sie töten, aber er vermag es nicht und flieht verzweifelt.
Am anderen Tag warten die Amme und die Färberin ungeduldig darauf, daß Barak das Haus verläßt. Als er zu trinken verlangt, reicht die Amme ihm einen Schlaftrunk. Wieder läßt sie der Färbersfrau das Bild des Zauberjünglings erscheinen; aber die Berührung durch seine Geisterhand läßt die Färberin erschauern. Entsetzt weckt sie ihren Mann. Barak kann ihre Erregung nicht verstehen. Die Färberin verläßt mit der Amme das Haus, während die Kaiserin als demütige Dienerin bei dem verstörten Färber zurückbleibt.
Wieder ins Falknerhaus zurückgekehrt, wird die Kaiserin von unruhigen Träumen gequält. Sie fühlt sich Barak gegenüber schuldig. Dann sieht sie den Kaiser einen unheimlichen Raum betreten. Aus dem Traum aufschreckend, erkennt sie, daß sie sowohl den Kaiser wie auch Barak durch ihre Schuld ins Verderben gestürzt hat.
Um ihren Mann erneut herauszufordern, bezichtigt sich die Färberin selbst des Ehebruchs, den sie nicht begangen hat, und gesteht, daß sie um den Gewinn ewiger Jugend ihren Schatten verkauft hat und somit für immer auf Kinder verzichtet habe. Barak ist fassungslos und will seine Frau töten. Wie durch Zauber fliegt ihm plötzlich ein Schwert in die Hand. In diesem Augenblick sieht die Färberin ihren Mann zum ersten Mal in der ganzen Größe seines Mensch-Seins. Sie widerruft ihr falsches Geständnis und ist bereit, den Tod durch seine Hand zu finden. Die Erde tut sich auf, Färber und Färberin versinken. Die Kaiserin, die den Schatten der Färberin nicht an sich gerissen hat, wird von der Amme in Sicherheit gebracht.
Dritter Akt
Tief unter der Erde liegen der Färber und seine Frau in getrennten Gewölben. Beide gestehen sich ihren Anteil an der Schuld und werden schließlich von einer Stimme nach oben gerufen.
Ein Kahn bringt die Amme und die Kaiserin in das Geisterreich Keikobads. Gegen den Willen der Amme ist die Kaiserin entschlossen, sich der Prüfung durch ihren Vater zu stellen, um den Kaiser zu retten. Sie sagt sich für immer von ihrer Amme los; diese wird dazu verdammt, von nun an unter den von ihr gehaßten Menschen zu leben.
Keikobads Hüter der Schwelle verlockt die Kaiserin, vom Wasser des Lebens zu trinken, um so den Schatten endgültig zu gewinnen und den Kaiser zu retten. Doch diese ist nicht in der Lage, die Errettung ihres inzwischen versteinerten Mannes mit der Zerstörung des Lebensglückes zweier Menschen zu erkaufen. Lieber will sie mit ihrem geliebten Mann sterben. Durch diese Selbstüberwindung erlöst sie den Kaiser aus seiner Versteinerung und gewinnt sich den ersehnten Schatten.
Auch Barak und seine Frau dürfen sich endlich wiederfinden. Die Frau hat ihren Schatten wieder, der zur Brücke über den Abgrund zwischen ihnen wird. Die Stimme der Ungeborenen, die nun ins Leben treten werden, mischen sich in den Jubel der beiden Paare.
Personen
- Der Kaiser (Tenor)
- Die Kaiserin (Sopran)
- Die Amme (Mezzosopran)
- Der Geisterbote (Bariton)
- Ein Hüter der Schwelle des Tempels (Sopran)
- Erscheinung des Jünglings (Tenor)
- Die Stimme des Falken (Sopran)
- Eine Stimme von oben (Alt)
- Barak, der Färber (Bass)
- Sein Weib (Sopran)
- Des Färbers Brüder:
- Der Einäugige (Bass)
- Der Einarmige (Bass)
- Der Bucklige (Bass)
- Sechs Kinderstimmen (3 Sopran, 3 Alt)
- Die Stimmen der Wächter der Stadt (3 Bass)