Entstehung

Das Libretto für diese Oper stammt von Kardinal Vincenzo Grimani. Als Charaktere benutzte er Personen der römischen Geschichte: Agrippina die Jüngere war in dritter Ehe mit dem römischen Kaiser Claudius verheiratet und versuchte Nero, ihren Sohn aus erster Ehe, auf den Thron zu bringen. Ebenso treten der Feldherr Otho und seine Geliebte Poppaea Sabina (die Nero später zur Frau nahm) in Erscheinung.
Händel komponierte die Musik wahrscheinlich 1708/09, die Uraufführung fand am 26. Dezember 1709 im Teatro San Giovanni Grisostomo in Venedig statt, das sich im Besitz der Grimani-Familie befand. Das Werk war ein durchschlagender Erfolg: es wurde 27 mal wiederholt.

Erster Akt

Agrippinas Gemach. Agrippina hat die Nachricht erhalten, dass Claudius bei einem Sturm auf See den Tod gefunden hat. Nun versucht sie, Nero zu überzeugen, nach der Cäsarenkrone zu greifen. Er solle sich unter das Volk mischen, sich sympathisch machen, aber die Nachricht noch geheim halten. Nero will dem Rat der Mutter folgen und sie immer verehren („Con saggio tuo consiglio“).
Um dem Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen, will Agrippina auch ihre Vertrauten Narcis und Pallas einsetzen, die nach ihrer Gunst heischen und daher willig erscheinen, ihre Pläne zu unterstützen. Zuerst erscheint Pallas bei ihr. Ihm trägt sie auf, zum Kapitol zu gehen und, wenn sie Claudius› Tod bekanntgeben werde, den Namen Neros unter das Volk zu bringen. Wenn der Plan gelinge, werde auch Pallas in seinem Einfluss steigen. Pallas preist Agrippina dafür, dass sein glückliches Schicksal heute durch sie von den Sternen herabsteige („La mia sorte fortunata“).
Als nächstes lässt sie Narcis zu sich kommen, den sie auf die gleiche Weise instruiert. Auch er erhofft sich, an ihrer Seite zu regieren, da er sie liebt („Volo pronto“). Agrippina bleibt allein zurück und hofft, dass sie aus den in Gang gesetzten Intrigen unversehrt wieder herauskommt („L’alma mia frà le tempeste“).
Nero verteilt auf dem Kapitol heuchlerisch Gaben an die Notleidenden und zeigt sich mitleidig mit ihnen („Qual pacer à un cor pietoso“). Auch Pallas und Narcis sind anwesend, nicht wissend, dass der jeweils andere von Agrippina eingeweiht wurde. Agrippina tritt auf, um die Nachricht von Claudius› Tod öffentlich bekanntzugeben. Ein neuer Cäsar müsse jetzt gewählt werden. Sie holt Nero zu sich auf den Thron, da hört man Trompeten. Lesbos gibt bekannt, dass Claudius vom heldenhaften Otho gerettet worden sei. Otho erzählt von den Ereignissen und erklärt, dass er als Dank zu Claudius› Nachfolger bestimmt worden sei. Sind Agrippinas Pläne geplatzt?
Otho kommt zu ihr und offenbart, dass er am Thron nicht interessiert sei und dass er Poppäa liebe. Agrippina verspricht, ihm zu helfen. Er sei des Thrones würdig, und seine Liebe solle nicht vergeblich sein („Tu ben degno“). Otho wünscht, dass sich seine Hoffnungen erfüllen („Lusinghiera mia speranza“).
Poppäas Zimmer. Poppea betrachtet sich eitel im Spiegel („Vaghe perle, eletti fiori“). Mit Claudius, Nero und Otho hat sie drei Liebhaber, die sie bisher im ungewissen gelassen hat. Claudius lässt durch Lesbos einen nächtlichen Besuch ankündigen (was Agrippina abseits mithört). Poppäa vergleicht die Liebe mit einem Feuer, das das Herz durchdringt und es auffrisst („É un foco quel d’amore“).
Agrippina tritt ein und behauptet, dass Otho Poppäa verraten und im Tausch für den Thron an Claudius abgetreten habe. Als Beweis gibt sie an, dass Claudius nachts zu ihr kommen werde. Sie gibt ihr einen Rat: Poppäa soll Claudius sagen, dass Otho ihr verboten habe, mit ihm zu sprechen. Sie soll ihre Waffen als Frau einzusetzen, um Claudius dazu zu bringen, Otho die Thronnachfolge zu entziehen. Trotz ihrer Befürchtungen freut sich Agrippina, dass es gelingen wird („Ho un non so che nel cor“). Poppäa ist von Otho enttäuscht und schwört Rache („Fa quanto vuoi“).
Claudius kommt in Poppäas Zimmer und drückt seine Bewunderung aus („Pur ritorno à rimirarvi“). Poppäa gibt sich verstockt und folgt Agrippinas Rat. Claudius verspricht, dass Otho nicht Cäsar werden wird. Dann rückt er Poppäa näher, um sein Begehren zu stillen („Vieni, o cara“). In letzter Sekunde wird Poppäa durch das Herannahen Agrippinas „gerettet“.
Agrippina beschwört gegenüber Poppäa ihre Freundschaft, die stets von Betrug, Verrat und Untreu frei sei („Non ho cor che per amarti“). Poppäa sinnt darüber nach, dass Liebe sich in Wut verwandelt, wenn man gekränkt wird („Se giunge un dispetto“).

Zweiter Akt

Straße in Rom. Pallas und Narcis haben herausgefunden, dass sie beide getäuscht worden sind. Nun wollen sie es ihr mit gleicher Münze heimzahlen. Otho rüstet sich zu seiner Rolle als Cäsar, bewundert aber eigentlich mehr das Schöne als den Thron („Coronato il crin d’alloro“).
Der Chor kündet Claudius› Ankunft an („Di timpani, e trombe“). Er hat Britannien unterworfen und lobt das Reich, das dem Kapitol untersteht („Cade il Mondo soggiogato“). Alle begrüßen ihn; als die Reihe an Otho kommt, wird er von Claudius als Verräter bezeichnet. Otho bittet Agrippina um Hilfe, die ihn zurückweist („Nulla sperar da me“). Das gleiche tun Poppäa („Tuo ben è’l Trono“) und Nero („Sotto il lauro che hai sul crine“). Selbst Pallas, Narcis und Lesbos verlassen ihn jetzt, da er nicht mehr in Claudius› Gunst steht. Otho ist verzweifelt („Otton, Otton, qual portensoso fulmine“) und beklagt weniger den Verlust des Throns als den Verlust Poppäas („Voi, che udite“).
Garten. Poppäa wünscht, dass ihr Liebster in Wirklichkeit unschuldig sei, und hat Mitleid („Bella pur nel mio diletto“). Otho erscheint und besingt die Brunnen im Garten („Vaghe fonti“). Währenddessen stellt sich Poppäa schlafend und bezeichnet ihn im Traum als Verräter. Als sie „erwacht“, beschwört er seine Unschuld („Ti vo› giusta“). Poppäa fordert ihn auf, zu einem weiteren Gespräch später in ihr Zimmer zu kommen.
Nun ist für sie klar, dass Agrippina sie belogen hat. Ein weiteres Mal will sie sich nicht von ihr hintergehen lassen („Ingannata una sol volta“). Lesbos kommt und bittet um einen weiteren Besuch seines Herrn in Poppäas Gemach. Danach erscheint noch Nero, den Poppäa ebenfalls für später in ihr Zimmer einbestellt und dem sie Versprechungen macht („Col peso del tuo amor“). Nero freut sich über den bevorstehenden Genuss der Liebe („Quando invita la donna l’amante“).
Agrippina sieht den Erfolg ihrer Intrigen gefährdet („Pensieri, pensieri, voi mi tormentate“). Otho und Poppäa können den Betrug aufdecken, und Pallas und Narcis hat sie zu sehr vertraut. Sie trägt nun Pallas auf, für den Tod Narcis› und Othos zu sorgen. Pallas bekundet seine Treue ihr gegenüber („Col raggio placido“). Narcis befiehlt sie in der gleichen Weise, Otho und Pallas zu töten. Er gibt vor, auf die Erfüllung ihrer Versprechungen zu hoffen („Spererò, poi che me dice“).
Claudius kommt bewundernd zu Agrippina („Vagheggiar de tuoi bei lumi“). Sie warnt ihn vor Otho, der angeblich nach seinem Leben trachte. Schnellstmöglich solle er Nero zu seinem Nachfolger machen, um Othos Pläne zu durchkreuzen. Claudius werde alles tun, um was sie ihn bittet („Basta, che sol tu chieda“). Agrippina sieht sich ihrem Ziel näherkommen („Ogni vento, che al porto lo spinga“)

Dritter Akt

Zimmer der Poppäa mit Türen in der Mitte und an den Seiten. Poppäas Racheplan kommt ins Laufen. Zunächst kommt Otho zu ihr und schwört seine ewige Treue. Sie glaubt ihm und versteckt ihn hinter einer Tür. Er verspricht still zu sein und keine falschen Schlüsse aus ihrem nachfolgenden Gespräch zu ziehen („Tacerò purchè fedele“).
Als nächstes kommt Nero zu ihr. Poppäa gibt vor, dass sie Angst habe, dass Agrippina hereinkommen werde. Sie versteckt ihn hinter einer anderen Tür (aber so, dass er nicht zuhören kann). Nero gehorcht, immer noch lüstern auf sie („Coll’ardor del tuo bel core“).
Schließlich erscheint Claudius. Es gelingt ihr, ihn davon zu überzeugen, dass er sie bei ihrem letzten Gespräch falsch verstanden hat: nicht Otho sei es, sondern Nero, der ihr verboten hat, mit Claudius zu reden. Er ist verwirrt, verspricht aber, sie zu rächen. Sie versteckt ihn hinter einer dritten Tür und holt Nero hervor. Als Claudius Neros Stimme hört, erzürnt er und schickt ihn fort. Unter dem Vorwand, dass er Agrippina besänftigen solle, wird Poppäa Claudius los. Claudius meint, dass er der Cäsar sei, dem niemand befiehlt („Io di Roma il Giove son“).
Nun, da Poppäa gezeigt hat, dass sie sich mit Mächtigen anzulegen bereit ist, verspricht Otho, ihr um jeden Preis treu zu sein. Er ist glücklich, Poppäa zu haben („Pur ch’io ti stringo“), desgleichen Poppäa („Bel piacere“).
Kaiserlicher Saal. Nero berichtet Agrippina von den Vorkommnissen („Come nube che fugge dal vento“). Anschließend berichten Pallas und Narcis Claudius von Agrippinas erster Intrige. Claudius stellt Agrippina zur Rede. Sie entschuldigt sich damit, dass sie Nero nur auf den Thron erhoben habe, weil sie geglaubt habe, Claudius sei tot. Als die Nachricht von Claudius› Ankunft gekommen ist, sei Nero demütig wieder vom Thron gestiegen. All das wird von Pallas und Narcis bestätigt. Agrippina bittet Claudius, sich vom Hass zu befreien und ihre Liebe und Treue zu erkennen („Se vuoi pace“).
Otho, Nero und Poppäa kommen hinzu. Da Claudius die Geschichte von der Liebe zwischen Nero und Poppäa vorgespielt wurde, schlägt er eine Heirat zwischen den beiden vor; Otho soll sein Nachfolger werden. Damit ist verständlicherweise keiner einverstanden: Nero zieht es vor, Cäsar zu werden; Otho und Poppäa wollen lieber heiraten. Also erfüllt Claudius alle Wünsche – auch Agrippina ist zufrieden, da sie ihr Ziel erreicht hat, ihren Sohn zum Cäsar zu machen. Juno steigt mit ihrem Gefolge herab, um den Segen des Himmels zu erteilen („V’accendano le tede“). Die Beteiligten versammeln sich zum Schlusschor („Lieto il trebo“).