Alexander Puschkins gleichnamiger Versroman lieferte die Vorlage für das Ballett Onegin, das sich zu einem der erfolgreichsten Handlungsballette des 20. Jahrhunderts entwickelte. John Crankos Choreographie entstand 1965, eine überarbeitete Fassung folgte zwei Jahre später. Die Handlung des prachtvoll ausgestatteten Balletts spielt im Russland des 19. Jahrhunderts und wird von John Cranko so verständlich entwickelt, dass man den zugrunde liegenden Roman nicht kennen muss. Tatjana verliebt sich in den blasierten Adligen Onegin, der sie aber abweist. Jahre später, als sie bereits mit einem anderen verheiratet ist, bereut Onegin seinen Fehler, da er erkennt, dass Tatjana die einzige Frau war, die ihn geliebt hat. Aber dieses Mal ist es Tatjana, die ihn zurückweist, obwohl sie ihn noch immer liebt. Legendär sind die virtuosen Pas de deux, die Cranko für die beiden Hauptfiguren schuf. "Pas de deux bilden das Herzstück Crankoscher Erzählung. Sie eröffnen Räume, in denen die Tänzer sich selbst erfahren in dem, was sie können. Was sie wissen von dem, was die Liebe sei", schrieb Jürgen Holwein dazu in den Stuttgarter Nachrichten. Die grandiosen Würfe, Hebungen und Drehungen sowohl im leidenschaftlichen Spiegel-Pas de deux in Tatjanas Schlafzimmer als auch im dramatischen Schluss-Pas de deux lassen das Publikum den Atem anhalten. Im reizvollen Kontrast zu den von Emotionen getragenen Duetten stehen die folkloristisch gefärbten Garten- und Festszenen.
1. Akt
1. Szene (im Garten Madame Larinas)
Tatjana und Olga tanzen mit ihren Freundinnen. Sie unterhalten sich mit einem alten Spiel: Wer in den Spiegel blickt, sieht den Geliebten. Bei der lebenslustigen Olga bewahrheitet sich der Aberglaube, sie erkennt ihren Verlobten, den Dichter Lenski, ihre Schwester, die scheue Tatjana, erkennt Onegin, einen Freund Lenskis, der erwartet wird.
Tatjana verliebt sich in ihn. Doch Onegin, ein gelangweilter Aristokrat aus St. Petersburg und zukünftiger Erbe eines großen Landguts, lässt die Gesellschaft sein Überlegenheitsgefühl spüren. Auch Tatjanas Interesse lässt ihn kalt.
2. Szene (Tatjanas Schlafzimmer)
Tatjana schreibt einen Brief an Onegin, in dem sie schwärmerisch ihre Liebe zu dem ihr unbekannten Mann bekennt. Sie schläft über ihre Zeilen ein und träumt: Aus ihrem Spiegel tritt Onegin und erwidert ihre Liebe.
2. Akt
1. Szene (im Haus Madame Larinas)
Tatjanas Geburtstag wird gefeiert. Lenski und Onegin nehmen an dem Fest teil. Ungeduldig wartet Tatjana auf ein Zeichen Onegins als Reaktion auf ihren Brief. Durch ihre naive Zudringlichkeit gereizt, zerreißt Onegin diesen vor ihren Augen und flirtet provozierend mit Olga. Lenski, der das Spiel nicht durchschaut, fordert ihn eifersüchtig und gekränkt zum Duell. Fürst Gremin, ein angesehener Freund des Hauses, versucht vergeblich, das Drama zu verhindern.
2. Szene (ein verlassener Park)
Tatjana und Olga beschwören Lenski, auf das Duell zu verzichten. Auch Onegin ist zur Versöhnung bereit, scheint seinen Fehler zu begreifen. Doch der romantische Dichter fühlt sich zu schwer verletzt. Vor Tatjanas Augen trifft Onegin seinen Freund tödlich.
3. Akt
1. Szene (Ballsaal des Fürsten Gremin)
Zehn Jahre sind vergangen. Tatjana ist die Frau des Fürsten Gremin Geworden. Auf einem Ball des Fürsten erscheint der vom Leben enttäuschte Onegin. Als er Tatjana dort unerwartet wiedersieht, erkennt er, dass er mit ihr die einzig echte Liebe seines Lebens verschmäht hat.
Er beginnt, bei ihr nach ihren einstigen Gefühlen für ihn zu forschen. Doch die Rollen vertauschen sich: Die Fürstin Gremin wendet sich scheinbar überlegen von ihm ab.
2. Szene (Tatjanas Boudoir)
Onegin hat sich brieflich bei Tatjana angemeldet. Diese will die Begegnung vermeiden, doch ihre Bitte an den sorglosen Gatten, sie an diesem Abend nicht alleine zu lassen, bleibt vergeblich. Onegin kommt und offenbart ihr seine Liebe. Im Kampf mit ihren Gefühlen erkennt Tatjana, dass Onegins Einsicht zu spät kommt: vor seinen Augen zerreißt sie seinen Brief. Verzweifelt stürzt Onegin davon, verzweifelt bleibt Tatjana zurück.
Personen
Choreographie und Inszenierung
- John Cranko
- Musik
- Peter Iljitsch Tschaikowsky,
- eingerichtet und instrumentiert von Kurt-Heinz Stolze
Bühnenbild und Kostüme
- Jürgen Rose